Ralf Boldt interviewt Angelika Herzog (per Email im September 2017)
Ralf Boldt: Hallo, Angelika! Kannst du dich bitte kurz den Lesern vorstellen.
Angelika S. Herzog: Ich bin 1954 geboren, lebe und arbeite in Recklinghausen. Gemeinsam mit „dem besten Ehemann von allen“ besitze ich eine Betriebsführervilla von 1889. Wir nutzen diese als Drei-Familien-Haus, doch sie könnte eine gründliche Sanierung vertragen. Daneben halten uns ein großer Garten mit Gewächshaus und Brieftauben auf Trab. Dreißig Jahre lang war ich als Bergschäden-Sachbearbeiterin bei der Ruhrkohle AG tätig. Seit 2005 bin ich verrentet und finde endlich Zeit, mich zu verwirklichen.
R.B.: Du schreibst als „Jott Fuchs“. Was verbirgt sich hinter diesem Pseudonym?
A.S.H.: 2008, während der Überlandfahrt zu einem Con, überzeugte mich mein Sohn endgültig, die alten Skripte aus dem Keller zu befreien. Der Selbstverlag war gerade populär geworden. Michael ist studierter Medienfachmann und so zweifelte ich nicht an seiner Kompetenz. Keiner von uns beiden ahnte damals, dass die Geschichte sich verselbstständigen, auf den dreifachen Umfang anwachsen würde. „Wenn wir es angehen, dann professionell“, meinte er. „Du braucht ein Pseudonym, um dich von diesen ewigen Vampirgeschichten abzuheben.“ Die Fahrt dauerte an und wir blödelten so vor uns hin. „Erinnerst du dich an meinen Lieblingsfilm >Zurück in die Zukunft<? Da geht es doch auch um ein Mutter-Sohn-Projekt. Und der Schauspieler heißt Michael J. Fox… Wie wäre es also mit Jott Fuchs?“ Gut, so fand ich.
R.B.: Von deinem Hauptwerk, der Elektron-Saga, sind ja mittlerweile vier Bände erschienen. Die ersten Ideen hast du ja schon in den 70ern gehabt.
A.S.H.: Ja, ich habe lange „nebenbei“ geschrieben, Gedichte, Kurzgeschichten, Rezensionen, mich darin immer weiter gebildet. Doch Veras Saga hat mich nie völlig losgelassen. Während der Bergbaukrise pausierte ich damit, der Karriere wegen. Das war die richtige Entscheidung, wenn auch sehr schmerzhaft. Dafür ist heute die Finanzierung unseres kleinen Familienverlages gesichert. Dem Fandom bin ich allerdings seit 1979 treu geblieben, als Con-Besucherin, Leserin, Mitarbeiterin an Solar-X, FAN und BWA.
R.B.: Kann man das Werk als SF-Fantasy bezeichnen oder wie würdest du die Romane einordnen?
A.S.H.: SF-Fantasy trifft es absolut. Seit jeher reizt mich ein Zusammenspiel von Dingen, welche die meisten von uns unmöglich verstehen können – Astrophysik, Magie. Dabei nehme ich das sog. Technobabbel und die Artussage gleichermaßen ein wenig auf die Schippe… Denn bei aller Dramatik sind meine Helden manchmal nur „allzu menschlich“.
RB: Der erste Roman beginnt ja „bei dir um die Ecke“. Beschreibst du den Einstieg in den ersten Band?
A.S.H.: Gerne. Ich beginne mit einigen Schlaglichtern auf die junge Vera. Diese stammt zwar aus einer eigenartigen Familie, glaubt aber ganz sicher weder an Magie, noch an Außerirdische. Omas Geheimversteck existiert tatsächlich, der reale „Hundepark“ liegt nur 100 m von meiner eigenen Haustür entfernt. Daneben wurden alle Handlungsorte der „Elektron-Saga“, so sie sich auf dem Planeten Terra befinden, von mir, teils mit Ehemann, teils mit Sohn besucht und recherchiert, inklusive einer Rundreise durch Schottland und Britannien. Ein Autor schreibt stets am besten über Dinge, die er kennt.
R.B.: Du hast dir eine Frau als Hauptperson gewählt. Sie macht eine starke Entwicklung durch. War das so geplant oder hat es sich teilweise auch während des Schreibens entwickelt?
A.S.H.: Wie gesagt, könnte Vera zu Beginn in unserer Mitte sitzen und würde nicht auffallen. 300 Seiten weiter ist ihr Charakter ausgeformt, weiß sie alles über Demütigungen und Macht … auch wenn sie noch nicht ahnt, wohin dieses Wissen sie noch führen mag. Dies hat sich nicht nur während des Schreibens, sondern auch während der Zeit so entwickelt. Immerhin ruhte der Schreibprozess von 1998 bis 2008 gänzlich. Dies ist die Phase, in der ich mein Leben auf die Reihe bekam, zur Erzählerin reifte. Von Beginn an machte Vera vieles, was ich niemals tun würde. Hin und wieder hat sie mich sogar in Angst und Schrecken versetzt, regelrecht überfordert. Doch gerade hierdurch sind wir beide gemeinsam stark und selbstbewusst geworden.
R.B.: Wie gestaltest du deinen Schreibprozess? Bist du da diszipliniert?
A.S.H.: Geradezu unglaublich … Liegt etwas an, schalte ich bereits morgens um 7 Uhr den Computer ein und arbeite bis 13.00 Uhr durch. Von Ausnahmen abgesehen, schriftstellere ich meistens „nur“ von Anfang November bis Ende Mai, sonst würde sich der Garten in einen Urwald verwandeln. Allerdings bin ich sehr gerne an der Luft. Nebenbei bemerkt, habe ich mich im Zuge der Recherchen für die Magieschiene der „Elektron-Saga“ selbst zur Schamanin ausbilden lassen. Und rasch festgestellt, dass diese Reisen durch Zeit und Raum in die Ober-, Mittel- und Unterwelt das perfekte Mittel sind, um Schreibblockaden aufzulösen.
R.B.: Hast du Vorbilder, wenn du schreibst?
A.S.H.: Nein, schon lange nicht mehr. Ganz zu Beginn wollte ich Rosemary Sutcliff und Waldtraut Lewin nacheifern. Ich liebe deren Prosa … Doch da ich immer eine große Leserin war und noch bin, wurde ich von genügend Schriftstellern beeindruckt, um endlich eine eigene Stimme zu entwickeln. Trotzdem findet sich in jedem Band die Danksagung an zwei davon: John Crowley, Tad Williams, MZB, Ursula K. Le Guin, GRMM, Brandon Sanderson. Ich könnte die Reihe noch lange fortsetzen – Terry Pratchett, Dan Simmons …
R.B.: Ist mit Band vier die Saga wirklich abgeschlossen oder gibt es noch weitere Ideen oder ganz andere neue Projekte?
A.S.H.: Ich werde demnächst wieder Kurzgeschichten schreiben. Außerdem wurde vor der diesjährigen Sommerpause ein neuer Roman begonnen, der auf Gmtxt, der ehemaligen Diebeswelt, spielt. Millar, die neue Heldin, lebt 500 Gem-Jahre nach Vera. Dass sie von ihr abstammt, beschert ihr sozusagen „ein interessantes Schicksal“.
R.B.: Was wünscht du deinen Lesern und dir für die Zukunft?
A.S.H.: Viele spannende Bücher und Zeit, um sie zu lesen, zündende Ideen und Kreativität. Denn dazu braucht man Frieden … Gleichzeitig wünsche ich der Menschheit den nächsten mentalen Entwicklungssprung, ´raus aus den Querelen der Eisenzeit. Seitdem haben wir, fürchte ich, unseren Umgang miteinander keinesfalls verfeinert. Wir SF-Autoren üben ja schon rein beruflich den Blick auf das >>Große Ganze>>. Zu ernst sollte man diesen keinesfalls nehmen, um sich in der eigenen Fantasie nicht zu verirren. Dennoch bleibt es nicht aus, von der Art und Weise, wie sich unsere Spezies auf ihrem kleinen blauen Planeten aufführt, peinlich berührt zurück zu schrecken. Solange wir weder Engstirnigkeit noch Hass überwinden, taugen wir weder zur galaktischen Zivilisationen, noch sind wir eines Kontakts wirklich würdig.
Vielen Dank für die spannenden Antworten und weiterhin viel Spaß beim Schreiben!
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