Tad Williams
BRÜDER DES WINDES
Brothers of the Wind, 2021
Klett-Cotta, Stuttgart, April 2022, 366 S., Hardcover
ISBN 978-3608985030
Zwei Schriftsteller sind als Ursprung der heutigen Fantasy-Literatur zu nennen: C.S. Lewis (Narnia, 1898-1963) und J. R. R. Tolkien (1892-1973). Tolkien weckte den Appetit seiner Leserschaft, verspürte jedoch niemals den Wunsch, diesen auch zu stillen. Das sollte man wissen, egal, was Nachlassverwalter aus seinen Notizen noch herauszufiltern versuchen. Texte wie das Silmarillion lehren: reine Wissenschaft macht selten Vergnügen.
Doch durch Tad Williams (geb. 1957) Fleiß ist Tolkiens Saat prächtig – und durchaus sättigend – aufgegangen.
Auch wenn ich persönlich „Otherland“ noch für lesbar halte, arbeitet die Tetralogie mit Computertechniken, wie sie um das Jahr 2000 herum in Gebrauch waren. Dem Lesernachwuchs erscheint das vermutlich vorsintflutlich, Steampunk. „Der Blumenkrieg“ (2004) ist vermutlich nur für Fans von C.S. Lewis interessant.
Was ich liebe an Tad Williams, ist seine von Anfang an breit ausgelegte und auf das Prächtigste ausgearbeitete Schilderung des mythischen Kontinents „Osten Ard“. Da der Vier-Bände-Zyklus „Shadowmarch“ (bis 2010) mit denselben Archetypen arbeitet, schließe ich ihn ausdrücklich ein.
Osten Ard begann 1988 mit dem „Geheimnis der Großen Schwerter“ (Memory, Sorrow and Thorn). Ja, und leider bin ich immer noch süchtig nach Rittern wie Seoman, der sich stets wie ein Mondkalb aufführt, und seinen schweigsamen, tiefgründig-vornehmen Sithi-Freunden. In der Art, wie er sich Tolkiens Elben annahm, leistete Tad Williams Großes.
2017 hörte ich endlich Neues über Simon, mittlerweile „Der letzte König von Osten Ard“. Wie beim Autor üblich warte ich seit geraumer Zeit auf die Fortsetzung. Stattdessen legte er nun „Die Brüder des Windes“ vor.
Diese Geschichte spielt 1000 Jahre vor dem „Geheimnis der Großen Schwerter“. Der Autor taucht tief ein in die Geschichte, Psychologie der Zida´ya (Elben), Hikkeda´ya (Nornen) und Sudhoda´ya (Menschen). Erzähler ist ein Tinukeda´ya. Diese Wechselwesen sind Tad Williams ureigene Schöpfung. Alle genannten Gattungen können miteinander Nachkommen zeugen. Doch nur die letztere versteht, sich anzupassen wie einst der Wolf auf dem Weg zum Dackel. Zudem sind Tinukeda´ya sanftmütig und geschickt – was sie seit alter Zeit dazu verdammt, von allen und jedem ausgebeutet zu werden.
Ich selbst habe die „Brüder des Windes“ verschlungen und kann den Titel nur empfehlen.