Tad Willams – Das Geheimnis der großen Schwerter 1 – 4

Collage aus priv. Fotos/Thüringen

Collage aus priv. Fotos/Thüringen

Tad Willams – Das Geheimnis der großen Schwerter 1 – 4

In diesem Jahr wartet auf uns Tad-Williams-Fans noch ein ganz besonderes Schmankerl: der Autor kehrt zurück zum Hochhorst, nach Osten Ard – und hoffentlich hört er dabei nicht auf seine Frau.

Beworben wird dies als die Antwort auf GRRMs >>Game of Thrones<< (ihr hört die Rezensentin leise lachen – wie wir alle wissen, wurde G.R.R. Martin im Verlauf der Verfilmungen des genannten Werkes von einer Schreibhemmung ausgeknockt, was mittlerweile die Kreativität sämtlicher Verlage befördert).

Jedenfalls erscheint schon im April 2017 >>Das Herz der verlorenen Dinge<<, dicht gefolgt (August 2017) von der >>Hexenholzkrone<<. Zu gegebener Zeit werde ich davon berichten. Bis dahin liegt es nahe, einen Blick auf meine alten Besprechungen zu werfen, denn sicherlich hat nicht jeder Tad Williams` Frühwerk gelesen.

Der Drachenbeinthron, Klett-Cotta ISBN 9783608-93866-1

1988 wurde natürlich mit Tolkien geworben. Auch dieser Gedanke liegt nicht so fern: Tolkien erschafft mit Arda eine ganze Welt in der Fülle ihrer Äonen, Williams nur einen Kontinent. Doch auf seine Weise ist Osten Ard ebenfalls vollkommen: Geographie, Geschichte, Sprachen, Völkern. Auch hier finden sich Volkslieder, Sagen, Geschichten in der Geschichte – und alles ist so herzzerreißend wahr, nimmt den Leser gefangen, entlässt ihn bereichert in die Realität. Fantasy von dieser Fülle schult den Geschmack – für Seichteres ist man hinterher verdorben, fand ich damals.

Zeitrahmen des Plots bietet ein alternatives Früh-Mittelalter. Der ädonitische Glaube hat sich fast überall durchgesetzt, auch wenn er auf den Rimmersmännern des Nordens (eine Art sesshafte Wikinger) nur als dünne Lackschicht liegt. Ihre Nachbarn, die Hernystiri, verehren noch die alten Götter, ebenso das Sumpfvolk der Wranna hoch im Süden (Er-der-immer-nur-auf-Sand-tritt). Mittelpunkt des Kontinents ist das gemäßigte Erkynland mit der gewaltigen Feste Hochhorst, von der aus König Johan Presbyter das Land regiert, das er im Laufe seines fast hundertjährigen Lebens mit dem Schwert befriedet hat. Langsam geraten die alten Dinge in Vergessenheit. Für den Küchenjungen Simon, der auf dem Hochhorst aufwächst, ist es Sagenstoff, dass jene Feste einst als Asu’a von den unsterblichen Sithi erbaut, von den Rimmersmännern mit schwarzem Eisen erobert, beherrscht wurde von Nabban (= römischem Reich, jetzt nur noch Herzogtum und Sitz der außerordentlich christlich anmutenden Ädonitischen Kirche Usiris (O-) Ädons).

Eahlstan Fiskerne, der sagenhafte Fischerkönig, entstammte Simons Volk, und es gibt dem Leser stark zu denken, dass Mondkalb, Pilgrim und schließlich Drachentöter Simon im Verlauf des ersten Bandes an einen goldenen Ring mit Fischzeichen gerät. Des weiteren kann er sich überzeugen, dass sowohl Trolle (>>Willkommen, Fremder. Die Pfade sind tückisch, heute.<<) als auch Sithi nach wie vor in Fleisch und Blut existieren. Womit es an der Zeit ist, ein paar Sätze zu zitieren:

>> ... Er schien kaum kleiner, aber erheblich schmaler als Simon zu sein; allerdings hatte der Junge sein Spiegelbild in letzter Zeit nur in trüben Waldtümpeln erblickt – vielleicht sah er inzwischen genauso mager und wild aus. Aber auch dann gab es Unterschiede, Dinge, die nicht völlig einzugrenzen waren: vogelähnliche Kopf- und Halsbewegungen, eine seltsame Flüssigkeit im Drehen der Gelenke, eine Aura von Macht und Beherrschung, die selbst jetzt zu spüren war, als ihr Besitzer wie ein Tier in dieser rohesten aller Fallen hing. Dieser Sitha, dieses Gespenst seiner Träume, war anders als alles, was Simon bisher gesehen hatte. Er war erschreckend und erregend … er war anders ….<<

Als J.R.R. Tolkien-Fan hat mich das damals völlig begeistert. Endlich wieder Elben: >>Singend einherschreitend unter dem Mond<<. In den Schilderungen und Charakteren des Schönen Volkes kam Williams dem Altmeister tatsäche nahe – doch machte er sich durchaus seine eigenen Gedanken. Williams‘ Sithi (Verballhornung von Zida’ya) sind mir fast noch lieber – sie nehmen sich nicht gar so ernst, trotz der tragischen Geschichte ihres Geschlechtes.

Das Trollvolk, welches, von den Rimmersmännern verfolgt und verleumdet im arktischen Norden lebt, ist eine liebenswerte und originelle Erfindung des Autors, bei aller Eigenständigkeit einzuordnen zwischen Hobbits und Zwergen. Gut gelungen ist auch die Schilderung der Wölfin Quantaqa, Reittier des Trolls Binbiniqegabenik, der zum zweiten Lehrmeister Simons nach seiner Flucht vom Hochhorst wird. An diesem Küchenjungen, der so gern ein Kämpfer wäre – natürlich bei guter Kost und Logis, ohne blaue Flecken und Blutverluste – erfüllt sich der Fluch, in interessanten Zeiten zu leben. Als der greise König stirbt, flammen die alten Konflikte auf. Wie sagt der Troll Binabik so treffend: >>Wenn es dir auf den Kopf fällt, weißt du, dass es ein Felsen ist.<<

Teil 2 – Der Abschiedsstein, Klett-Cotta ISBN 9783608-93867-8

Die Saga setzte sich in unverminderter Qualität fort. Das absolute Böse (originell im Sturmkönig, einem untoten Sithiprinz, Herr der Nornen, verkörpert) greift mit voller Wucht in das Geschehen ein. Seltsame Veränderungen finden auf dem Hochhorst statt, seit der König das magische Schwert Leid besitzt, welches der Sturmkönig einst zur Verteidigung Asu’as schmiedete.

>>Aber was war es dann, was er beim ersten Mal gesehen hatte? Weiße Mauern und der Wald hochragender Turmspitzen, die er zunächst für Bäume gehalten hatte – ein Wald aus schlanken Minaretten, Nadeln aus Elfenbein, in denen sich das Mondlicht fing und die glühten, als seinen sie von oben bis unten von diesem Licht erfüllt. Solche Türme gab es auf dem ganzen Hochhorst nicht.<<

Fazit: es darf gerätselt werden. Elias, der als älterer der feindlichen Brüder nach seinem Vater zum König gekrönt worden ist, zerstört dessen Lebenswerk innerhalb weniger Jahre. Um den jüngeren Bruder, Josua, eigentlich der Macht völlig abgeneigt, sammeln sich die Verzweifelten. Doch als er es wagt, gegen den Bruder aufzustehen, vernichten die schrecklichen Bundesgenossen des Königs seine Burg und sein Heer. Im allerletzten Augenblick gelingt ihm die Flucht mit nicht mehr als zwei Rittern, zwei Frauen und zwei Harfnern.

Simon zieht unterdessen mit den Überlebenden seines Zuges durch einen ewigen Winter, um Josua das magische Schwert Dorn zu bringen. Er verirrt sich und wird von dem Sitha Jiriki, dem er einst das Leben rettete, in die letzte, verborgene Stadt der Elben gebracht, die er zunächst nicht mehr verlassen darf und kann. Jao é-Tinukai’i, das Boot im Meer der Träume, existiert eigentlich nicht in der Realwelt. Fans des alten Zyklus um die Prinzen von Amber werden in den Übergangspassagen einiges wiedererkennen; so wie man in einem vorzüglichen Kognak den guten Wein noch schmeckt.

Nach vielen Fährnissen treffen sich Josuas, wie auch Simons Truppe, ebenso wie der mittlerweile zum Mann gereifte Küchenjunge selbst am Sesua’dra, dem Abschiedsstein, dort, wo sich einst die gemeinsamen Wege der Sitha und der Nornen trennten. Ohne mehr vom Plot zu verraten und damit die Spannung zu zerstören, schließe ich mit den Worten Amerasu y’Senditu no’e-Sa`onsereis:

>>Auch du, Menschenkind, weißt, was Tod bedeutet. Es steht in deinem Gesicht. Aber obwohl jeder Tod etwas Schwerwiegendes ist, kommen und gehen Leben und Tod der Sterblichen so schnell wie die Blätter im Wandel der Jahreszeiten. Ich möchte nicht grausam sein. Ich will auch kein Mitleid. Aber weder du noch ein anderer Sterblicher hat erlebt, wie die dürren Jahrhunderte vorüberrollen, wie die hungrigen Jahrtausende vorbeiziehen, hat gesehen, wie die Welt Licht und Farbe verliert, bis nichts mehr übrigbleibt als verdorrte Erinnerungen.<<

Teil 3 – Die Nornenkönigin, Klett-Cotta ISBN 9783608-93868-5

Simon und Miriamel, König Elias Tochter, werden zunehmend erwachsener. Simon wird als Herr Seoman zu Ritter geschlagen, Miriamel (als angenehm normal empfindende Prinzessin) verliert ihre Unschuld an den hübschen Schurken Aspitis. Mittlerweile ähnelt der Hochhorst wirklich sehr Sesuad’ra, der alten Sithiburg. Folgerichtig wird er zur letzten Bastion von Josuas zusammengewürfeltem Heer und Schauplatz eines verzweifelten Kampfes gegen Fengbald, die Erkynwache und Elias‘ Söldner. Überraschend trifft eine Kampfgruppe Trolle ein, stellt sich auf Josuas Seite. Die hier beschriebenen Schlachtenszenen erschienen mir bei Erstlektüre als die besten, die mir in diesem Genre bisher begegnet waren. Dabei mache ich mir gar nichts aus kriegerischen Auseinandersetzungen und es kann schon vorkommen, dass ich dergleichen einfach überblättere – hier aber nicht, nicht einmal beim wieder lesen, obwohl ich mit dieser Saga seit Jahren vertraut bin.

Zeitgleich mit diesem Teil der Handlung lernen wir endlich das Wran kennen, Heimat Tiamaks, eines Mitglieds des Bundes der Schriftrolle. Auch hier, im dumpfen, sumpfigen Süden, findet der Sturmkönig Mittel und Wege, Unheil anzurichten. Doch die Sithi entschließen sich endlich, in das Geschehen einzugreifen, was mir wieder einmal Gelegenheit gibt, Williams Prosa zu zitieren:


>>
… ihre Rüstungen glänzten in allen Farben des Regenbogens – himmelblau, rubinrot, laubgrün, orangegelb und purpurlila wie Nebel bei Sonnenuntergang. Sie hörte sie im Reiten singen, ein hohes, helles Klagen wie von einem Chor wundersam musikalischer Vögel. Es konnten hundert Reiter sein oder zehntausend. Maegwin vermochte es nicht einmal zu raten, denn der herrliche Schrecken ihres Kommens war so groß, daß man sie nicht lange anschauen konnte. Sie verströmten Farben, Töne und Licht, als habe die Welt einen Riss bekommen, durch den der Stoff hervorquoll, aus dem die Träume sind. <<

Damit begann, wie stets bei Willams, das lange Warten aufs Finale.

Der Engelsturm, Klett-Cotta ISBN 9783608-93869-2

Nach dieser Besprechung musste ich ein wenig suchen. Leider handelt es sich auch eher um >>Kurzkritik<<, woran nun nichts mehr zu ändern ist. Immerhin kam ich damals damit durch, also >>Wohlan!<<

Mit vorliegendem Band wird das „Geheimnis der Großen Schwerter“ vollends gelöst. In dieser Besprechung etwas über den Inhalt zu verraten, wäre genauso schlimm, wie den Mörder schon vor Beginn des Krimis oder das Ergebnis vor einem Sportereignis auszuplaudern. Es hieße dem Rest der Menschheit das Vergnügen verderben.

Nur soviel: als echter Amerikaner setzt der Autor auf Harmonie. Vielleicht als sympathische Verbeugung vor seinem ersten Erfolgsroman (Traumjäger und Goldpfote) spielt eine kleine graue Katze, wie schon im ersten Band, in den Verwicklungen ihre nicht unerhebliche Rolle. Im Übrigen bleibt nur, von der gekonnten Prosa des Autors weitere Zeilen zu zitieren. Wohlgemerkt nicht in ihrer Reihenfolge, damit das Geheimnis gehütet bleibt.

>>An einem seltsamen Ort bin ich, dachte er verwundert, in einer seltsamen Zeit. Ein Marschmann watet durch den Schnee von Erkynland, um einer Sitha zu helfen! Es müssen Sie-die-wachen-und-gestalten sein, die zuviel Farnbier getrunken haben.<<

>>Eigentlich ist es eine Art Magie – vielleicht die stärkste überhaupt, fuhr Morgenes fort. Lerne das, wenn du verstehen willst, was Macht bedeutet, Simon, mein Junge. Stopf dir nicht den Kopf voll mit Geplapper von Zaubersprüchen und Beschwörungen. Lerne erkennen, wie Lügen uns formen, wie sie ganze Königreiche formen.<<

>>Er würde in den Traum hineingehen, im herrlichen Asu’a wohnen und sein Gesicht in die lebendigen Bäche tauchen, die es durchzogen – und dann würden sie nicht mehr zu Staub werden. Er würde in Asu’a leben und nie mehr in diese dunkle, gespenstische Welt bröckelnder Schatten zurückkehren.<<

>>Und wer von uns möchte das nicht, von Zeit zu Zeit<<, seufzte ich damals. >>Die Pforten hierzu sind die Bücher<<.

Thüringen

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