Sabine Bode
GESCHWISTER IM GEGENLICHT
Klett-Cotta, Stuttgart, 08/23, 317 S. Hardcover, ISBN 978-3-608-98747-8
1947 in Eilsleben geboren, ist Sabine Bode alles andere als eine Neueinsteigerin. Man kennt sie bereits seit 1998 als Autorin äußerst wichtiger Sachbücher. Vier hiervon entstanden in Zusammenarbeit mit Fritz Roth (geb. 1949), dem Bestatter und Gründer des ersten privaten Friedhofs.
Beide gehörten ganz sicher selbst zu den Kindern, die unmittelbar im Krieg groß geworden, durch Gräuel geprägt wurden, über die sie niemals sprechen durften. Ihre Eltern waren durch dieselben Dinge verroht worden, wenn nicht von vornherein geprägt durch Hitlers menschenverachtende Ideologie.
Ebenso ergeht es den Protagonisten ihres zweiten Romans. Rolf und Sonja, die Geschwister, wissen nicht viel von einander. Obwohl sich die Tochter vom Vater geliebt fühlte, der Sohn von der Mutter, haben beide eine private Hölle hinter sich, die sie als Erwachsene einfach nur vergessen wollten. Doch da beginnen sich die Probleme in der nachfolgenden Generation zu spiegeln – und alles bricht wieder auf.
Sabine Bode ist eine glänzende Erzählerin. Ich konnte ihr anrührendes, perfekt konzipiertes Werk nicht aus der Hand legen. Und ihre Themen sind nach wie vor wichtig: haben doch selbst wir Spätgeborenen „unser Fett“ abgekriegt. Die Prügelstrafe wurde erst 1973 abgeschafft.
Insofern erlaube ich mir, die „Ärztin“ Johanna Haarer (1900-1988) mit dem Autor des „Hexenhammers“ zu vergleichen. Ihr gelang es mit ihren Büchern, »Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind« und »Unsere kleinen Kinder« gleich mehrere Generationen zu vergiften. Anstatt Liebe bekamen wir Disziplin, versuchte man, unseren Willen zu brechen. Auch ich glaubte deshalb noch bis zu meinem 10. Lebensjahr, Eltern dürften ihre Kinder straflos töten. Schließlich konnten sie jederzeit bessere bekommen.