Christopher Buehlman: DER SCHWARZZÜNGIGE DIEB

Christopher Buehlman

DER SCHWARZZÜNGIGE DIEB

Schwarzzungendieb 1

The Blacktongue Thief, 2021

Klett-Cotta, Stuttgart, August 2022,

Hardcover, 518 Seiten

ISBN: ‎ 978-3608986419

Keine Ahnung, warum sich Christopher Buehlmann, der aufrechte, 1969 geborene Amerikaner, bei Tolkien bedankt. Vermutlich, weil mensch dies als Fantasyautor so macht. Dabei hätte der ernste Altmeister diesem Roman (ganz im Gegensatz zu mir, die sich köstlich amüsierte) vermutlich gehasst.

Viel gescheiter hätte sich Buehlman vor dem leider unbekannten Erfinder des Schelmenromanes verbeugt. Ich habe mir selbst die Freude gemacht, hier das Zitat aus dem aktuellen Wikipedia einzufügen:

Der Schelmenroman oder pikarischer/pikaresker Roman (aus deSpanischenpícaro = Schelm), dessen Ursprung im 16. Jahrhundert in Spanien liegt, schildert aus der Perspektive seines Helden, wie sich dieser in einer Reihe von Abenteuern durchs Leben schlägt. Der Schelm stammt aus den unteren gesellschaftlichen Schichten,ist deshalb ungebildet, aber „bauernschlau“. In der Absicht, die soziale Stigmatisierung aufgrund seiner niederen Geburt zu überwinden, ist er ständig auf der Suche nach Aufstiegsmöglichkeiten und greift dabei nicht selten auf kriminelle Mittel zurück. Er durchläuft alle gesellschaftlichen Schichten und wird zu deren Spiegel. Der Held hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum, schafft es aber immer wieder, sich aus allen brenzligen Situationen zu retten.

Traditionell ist der Schelmenroman eine (fingierte) Autobiographie mit satirischen Zügen, die bestimmte Missstände in der Gesellschaft thematisiert. Sie beginnt oft mit einer Desillusionierung des Helden, der die Schlechtigkeit der Welt erst hier erkennt. Er begibt sich, sei es freiwillig, sei es unfreiwillig, auf Reisen. Die dabei erlebten Abenteuer sind episodenhaft, d.h., sie hängen nicht voneinander ab und können beliebig erweitert werden, was bei Übersetzungen oft der Fall war. Das Ende ist meist eine „Bekehrung“ des Schelms, nach der er zu einem geregelten Leben findet. Es besteht auch die Möglichkeit einer Flucht aus der Welt, also aus der Realität.“

Sic. Auch fehlen in Buehlmans Laudatio Terry Pratchett (1948-2015) und Harry Harrison (1925-2012), welche das Genre Schelmenroman als Erste in SF und Fantasy übersetzten.

Mehr gibt es aber wirklich nicht zu beklagen. Vielleicht, dass ich in den letzten Monaten einiges über la-lustige Söldnertruppen lesen musste, aber das hatte ich mir ja so ausgesucht.

Kinsch-Na-Schannak ist ein putziger Protagonist, ich folgte ihm gerne und in atemberaubenden Lesetempo. Buehlmans Weltenentwurf ist – von Kriegsraben, Magie und Geschlechtergleichheit einmal abgesehen – geradezu erschreckend aktuell. Humor und Zynismus halten sich angenehm die Waage. (Man muss wohl beides entwickeln, wenn mensch in einem Ort namens St.Petersburg aufwächst, der -haltet euch fest- in FLORIDA liegt.

Kurz: ich freue mich auf das Weiterlesen.