Simon Sebag Montefiore, Andreas Thomsen, et al.
DIE WELT, EINE FAMILIENGESCHICHTE DER MENSCHHEIT
Klett-Cotta 2023, erstaunliche 1.536 Seiten
ISBN 978-3608983548
»In diesem Werk von erstaunlichem Umfang und Gelehrsamkeit verwebt Montefiore die Geschichten der Diener, Höflinge und Könige, Pioniere, Prediger und Philosophen, die Geschichte gemacht haben. Brillant. Selbst den gebildetsten Lesern werden neue und tiefe Einsichten eröffnet.«
Da hat er auf jeden Fall recht. Doch den Klappentext wollte ich nicht übernehmen, verspricht er doch nicht weniger, als dass man dieses Buch lesen könnte, als »ergreifendes Drama, unglaubliche Komödie und erschütternde Tragödie« … Erst einmal sind das verdammt viele Adjektive. Sie wecken die Erwartung den Text (wenn auch in geraumer Zeit, natürlich) an einem Stück lesen zu können.
Doch das hält kein Mensch aus. Ich habe es probiert – und ich bin Hardcore-Leserin. Zum einen ist er äußerst klein geschrieben. Und schon auf Seite 271, Byzanz war just begründet, beschlich mich das Gefühl, knietief durch Blut zu waten. Wie Lady Macbeth wollte ich es nur noch abwaschen. Und so griff ich zu einem richtigen Krimi, so einem mit Sinn und höherer Moral, und kehrte zur Familiengeschichte dieser gierigen, machtgeilen, territorial besitzergreifenden, mörderischen Schimpansen-Abart namens Homo Sapiens nie mehr zurück.
Trotzdem verbleibt der Schinken hier im Regal als unbezahlbares Nachschlagewerk. Denn die Art und Weise, wie der Autor alle Kontinente miteinander verknüpft, ist tatsächlich genial.
»Die Geschichte der Menschheit beginnt in diesem historischen Epos mit einem Strandspaziergang einer Familie vor 950.000 Jahren. Diese Weltgeschichte erzählt Simon Sebag Montefiore als Familien- und Gesellschaftsdrama von den Neandertalern bis zu den Königen der Saud, von Cäsar bis zu den Kennedys und Xi Jinping. In 23 Akten spielt sich die Weltgeschichte der Menschheit von ihren Anfängen bis heute vor unseren Augen als ein großes Welttheater ab.«
Sitting Bull hatte recht: man kann die Erde nicht besitzen. Schauen wir nur nach Palästina: schon bevor sich die Israeliten hier niederließen, erlebte der Landstrich zwei blutige Eroberungen. Dann kam das Imperium Romanum, saugte sich, einer riesigen Zecke gleich, daran fest. Zweimal wurde es von den Einheimischen angegriffen. Zweimal schlug es zurück, spaltete die Bevölkerung in Mitläufer und Flüchtige. Wie es wirklich immer geschieht, ging der Riss mitten durch die Familien. Die einen nahmen, als letzten Besitz, ihre heiligen Schriften mit auf die Wanderschaft. Die zurückbleibenden wurden, irgendwann ab 622, treue Anhänger des Propheten. Und obwohl in Thora, Bibel und Koran nur der Friede gepredigt wird, kämpfen sie schon wieder.
Das größte Wunder ist tatsächlich, dass die Menschheit bis hierhin überlebt hat. Und so sollte sich jede*r vor dem Partei-Ergreifen informieren, auf die Anfänge schauen. Gerade hierzu eignet sich das vorliegende Buch ganz ausgezeichnet.