Die Elektron-Saga und die Medizin – mein Vortrag für Oldenburg 2016
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Die Elektron-Saga und die Medizin – Oldenburg 2016
„Zeitenwende“ ist der erste Band meiner auf vier Bücher konzipierten, phantastischen SF-Saga. Ich-Erzählerin ist eine junge Deutsche namens Vera Elz. Zu Beginn könnte sie hier in unserer Mitte sitzen und würde nicht auffallen. 300 Seiten weiter ist ihr Charakter ausgeformt, weiß sie alles über Demütigungen und Macht… auch wenn sie noch nicht ahnt, wohin dieses Wissen sie noch führen mag.
Doch „Zeitenwende“ ist auch die Geschichte der Infektion, die sich Squsharamashmathi, der vergnügungssüchtige interstellare Tourist auf der Erde, wie wir sie kennen, einfängt. Die vom „Inneren Haus“ zu lange geheim gehaltene „terranische Krankheit“ bedeutet das Aus für eine Utopie, in der es sich bislang, von der Langeweile einmal abgesehen, ausgezeichnet hat leben lassen: der Stadtstaat Cendraka.
Die Elektron-Saga beschränkt sich auf unsere Galaxis. Von einer einzigen technisch überlegenen Spezies abgesehen, existieren hier keine Aliens. Ich denke mir den sog. Wintergarten, wie die Bezeichnung in der Hochsprache lautet, von den Nachkommen der Ersten Menschheit besiedelt. Wie viele andere im Parlament der Welten vertretenen Kulturen, stammen auch wir zumindest teilweise von ihnen ab. Aber das Sol-System wurde noch zu Zeiten der Neandertaler mit einer Quarantäne belegt und dazu gab es damals gleich mehrere gute Gründe.
Cendraka selbst bildet eine Ausnahme. Bereits vor einigen Jahrhunderten als parlamentarisches Hilfsprojekt für die letzten reinblütigen Ersten Menschen gegründet, beherbergte die Stadt niemals mehr oder weniger Einwohner als exakt 5003 von ihnen. Jeder war ein ausnehmend gut aussehender Klon, der niemals alterte, im 200. Lebensjahr jedoch still und heimlich ersetzt und recycelt wurde. Doch nun ist die ursprüngliche Zelldatei von der terranischen Krankheit befallen. Das Gemeinwesen muss sich verändern, will es überleben.
An dieser Stelle begleiten wir Vera bei ihrem erstem Besuch im Parlament der Welten:
Plötzlich zeigte der Bildschirm eine Kugel aus schwarzem Licht. Sie öffnete sich explosionsartig. Das Schiff geriet ins Trudeln. Sam konnte sich nur mit knapper Not am Rückenteil seines Sessels abfangen. Schon wurden wir verschlungen. Von einer Sekunde zur anderen flutete stumpfe Schwärze die Kabine, Augen und Ohren versagten. Dann wurde es wieder hell.
Auf dem Deckenfenster irreale Szenen; wir stöhnten auf. Offensichtlich durchsegelte unser Flugkörper ein Meer aus Nebelschwaden in allen Farben des Regenbogens. Strebte einem hell leuchtenden Ball entgegen, um den ein festes, scheinbar metallisches Band lag, wie ich erkannte, als wir uns näherten. Mehrere Dutzend Raumschiffe unterschiedlichster Bauart lagen dort angedockt.
Chaim konnte nicht länger an sich halten: „War das ein Wurmloch?“ fragte er gepresst.
„Was immer du glaubst“, erklärte unser Pilot frohgemut. „Eines jedoch mit Sicherheit: der Korridor zum Parlament der Welten. Wirst kaum eine zweite sehen, log, aber jede dieser Sternenstraßen hat ihr eigenes Muster. Meine Ahnen erkunden und überliefern sie seit Jahrmillionen.“
Chaim schüttelte verständnislos den Kopf. Mich aber packte in diesem Moment das Heimweh, mit aller Macht. Gesetzt den Fall, auch die Erde besaß so einen Korridor, würde ich zu ihr zurückfinden, irgendwie. „Der Weg ist das Ziel“, flüsterte ich vor mich hin.
Dann legten wir an, verließen das Schiff, ohne eine andere Menschenseele zu Gesicht zu bekommen. Betraten nackten Fußes… das nächste Labyrinth aus Gängen.
*
Hier jedoch gab es Aufzüge, Paternoster, Rolltreppen – gut zu erkennen, trotz des außerirdischen Designs, welches in Lichteffekten, polierten Metalloberflächen und Kunststoff aller Edelsteinfarben verwirklicht wurde. Auch sah ich einige blau leuchtende Türen. Ich hätte sie gerne durchschritten um festzustellen, ob es sich dabei wohlmöglich um weitere Transmitter handelte. Unser Führer jedoch hielt uns beisammen, wachte über jeden Schritt, schien die Augen überall zu haben. Sobald einer von uns auch nur zögerte, setzte es Knüffe und Schubser.
Drei Stockwerke höher – ich schloss dies aus der Anzahl der Tasten im Aufzug, welcher im Übrigen gänzlich unbeleuchtet war – gerieten wir in eine Shoppingmall. Die Parallelen zu den gewohnten irdischen Einrichtungen waren unübersehbar: bogenförmige Arkaden, verglaste Schaufenster. Die Beschriftungen blieben kryptisch: zu lesen hatte man uns offensichtlich nicht beigebracht.
Doch hier herrschte Leben auf dem Korridor. Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft eilten hin und her. Sie waren bizarr, bunt oder, im Gegenteil, außerordentlich schlicht gekleidet. Ich staunte nicht schlecht über all das, was zwei Geschlechter mit jeweils zwei Armen, zwei Beinen, einer Bandbreite von Geschmäckern und Zugang zu einer Vielfalt von Stoffen, Leder, Federn sich ausgedacht hatten.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, entsprachen die Körpermaße der Passanten dem Erdstandard. Es gab galaktische Menschen in mager und fett, es gab sie in hässlich, zu meiner Beruhigung, es gab sie in allen Altersstufen jenseits der Pubertät.
Am Ende des Kreissegmentes bogen wir in einen mit lebensechtem rötlichen Gras bewachsenen Korridor, hielten vor der weit geöffneten Tür. Auf der Schwelle eines völlig in sattem Grün gehaltenen Raumes stand eine Gestalt: graustichiger Teint, bläuliches Haar. Ganz nach Art verrückter Wissenschaftler lugten scharfkantige Instrumente aus allen Taschen. Der grüne Kittel bedeckte den Mann bis zu den Knorpelknien. Die dazu gehörigen Stoppelwaden endeten in dunkelgrünen, für Tennis geeignet scheinenden Schuhen.
„Wenn das geschätzte Regierungsmitglied soweit wäre“, schnarrte er. „Das Konsilium wartet.“
*
Vor zwei Tagen hatte ich noch selbst Ärztin gespielt und hier lauerten gleich sechs davon. Soweit ich verstand, durch Losentscheid vom Parlament ermittelt, repräsentierten sie unterschiedliche Welten. Zu unserem Schaden trauten sie einander nicht genug, sich Ampullen von Körperflüssigkeiten zu teilen. Was für jeden von uns bedeutete, sechsmal zur Ader gelassen zu werden, aus unterschiedlichen Venen – von den übrigen Peinlichkeiten ganz zu schweigen.
Die ganze Zeit tauschte man sich über unsere Köpfe hinweg aus – durchaus nicht immer in der Hochsprache. Hin und wieder schienen mir Worte durch schwere Dialekteinfärbung verzerrt.
Während der nächste Trottel meinen Bauch durchleuchtete: „Tatsächlich – ein Blinddarm – darüber muss ich unbedingt veröffentlichen“, lauschte ich der Stimme des Blonden mit den kalten Händen in der Ecke. „Eine Schande, solche Weibchen zu verstümmeln“, meinte ich zu verstehen. Wurde jedoch im selben Moment durch Sam abgelenkt, der zu deklamieren begann: „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht?“
Ich kannte dieses Zitat, aus meinem Winter mit Michelle. „Shakespeare“, raunte ich zurück. „Auftritt Shylock im Kaufmann von Venedig.“ War plötzlich froh, dass Oma von meiner Schande nichts erfahren musste. Gleichviel – niemand im Raum reagierte darauf. Der Reigen aus gleichgültigen, wenn auch vielfarbigen Mienen ging weiter, begleitet von Übergriffen mit und ohne Handschuhe. „Au. Verdammt…“
Zuletzt jedoch heilte jeder der Ärzte die zugefügten Blessuren auf eigene Art – manche mit Sprays, andere mit Licht. Man ließ Deos reihum gehen, dann durften wir wieder in die Overalls steigen. Raumlüftung zerstreute den beißenden Geruch unserer Angst. Das Vergessen begann.
Nun erfolgt ein weiterer Sprung. Hier eine Episode aus dem Alltag im sich nun rapide verändernden Cendraka:
„Offensichtlich können sie weit länger leben als zweihundert Sarn-Jahre… Glaubst du, das gilt auch für uns?“, löcherte ich Seti beim nächsten Hausputz. Squsharamashmathi verfuhr in letzter Zeit noch schlampiger mit der Haustür als gewöhnlich. Und so hatten es sich der Mitsklave und ich angewöhnt nachzusehen, sobald die Klimaanlage hörbar wurde. Meist lag dann schon der halbe Hausflur voller Sand.
Seti antwortete unwirsch. „Solange du der Stadt nicht entkommst, würde ich mir darüber keine Sorgen machen. Das Klima ist hier ausgesprochen ungesund für logges.“
„Alter Griesgram.“ Munter fuhr ich weiter mit dem Staubsauger über die Polster. „Stell dir vor, May denkt, dass sie von Tom schwanger geworden ist.“ Ich betrachtete zweifelnd meinen flachen Bauch. „Manchmal ist mir, ehrlich gesagt, auch ein bisschen komisch. Hatte meine Tage schon eine ganze Weile nicht.“
Peter ließ sein Haushaltsgerät aus der Hand fallen. Der lauwarme Dampfstrahl kondensierte auf dem plastiküberzogenen Fußboden.
„Wirst sie auch nicht mehr bekommen. Willst du mich verarschen, Rhy?“
Ich blieb stehen, plötzlich voller Angst.
Seti brüllte unbeherrscht los: „Ich, du, er, wir und sie sind unfruchtbar! Die Cendraker mehr oder weniger von Natur aus – wegen der Strahlenschäden ihrer Ahnen. Die logges durch den Umwandlungsprozess im Inneren Haus. Wobei sie vermutlich mit dem Skalpell fleißig nachhelfen, denn euch Weibchen bleiben weder Gebärmutter noch Eierstöcke…“
Meine Gedanken reisten zurück zum Parlament der Welten. Zu jenem Arzt, der… Verstümmelung missbilligt hatte. Heulend wie ein Schlosshund sank ich auf dem nächstbesten Polster in mich zusammen. Arme May… so verliebt, so zukunftsfroh.
„Warum nur?“, schluchzte ich.
Peter Tembruggen legte den Arm um mich. „Sie können eure Organe dort gut brauchen, um neue Vollbürger auszubrüten… Vermutlich heißt es terranische Krankheit, weil sie sie mit unseren Zellen bekämpfen.“
Am Ende blieb Seti nur, mich zur Beruhigung in den Alkoven zu stecken. Aus dem ich tatsächlich, unmessbare Zeit später, gefasst wieder herauskam. Hatte ich meinem Gebieter tatsächlich ein Kind schenken wollen? Wie peinlich.
Der Hausputz war inzwischen von Seti allein bewältigt worden. Er selbst raschelte im Computerzimmer vor sich hin, mit irgendwelchen Datenträgern. Als ich hereinkam, sah er auf. „Besser?“
Ich atmete tief. „Durchaus.“
„Schöne Scheiße, nicht?“
„Nein, nein. Schon okay… will versuchen, es als Tausch zu sehen. Ewige Jugend und so, du weißt.“
„Ja. Vom Umtausch ausgeschlossen.“
Doch es hatte mich tief getroffen, keine Frage. Sorgte auch in Toilette Nr. 13 nicht für Heiterkeit… wobei sich herausstellte, dass Will die ganze Zeit über Bescheid gewusst hatte, lediglich zu feige gewesen war, Frischlingen reinen Wein einzuschenken.
„Viel Wissen macht traurig“, meinte er sich rechtfertigen zu können.
*
Indes ahnt man auf dem Herkunftsplaneten wenig davon, dass man vom Parlament der Welten „unter Fürsorge gestellt“ und zur Kolonie herabgewürdigt wurde. Die cendrakischen Jäger treten nur vereinzelt in Erscheinung. Doch schon seit Seite 30 ist von der Zivilisation, wie wir sie kennen, nichts mehr übrig – was daran liegt, dass Squsharamashmathi persönlich aus der Sonne Sol einen zepterförmigen Gegenstand kassiert. Das sog. „Elektron“, die korrekte Bezeichnung lautet (Hyagansis=gesprochen) Harrgan-klick-ná) gehört zu den Relikten des ersten Imperiums; ebenso wie die Transmittertechnik gilt auch diese als verloren. Die Erde wurde dem Parlament der Welten als zurückgeblieben präsentiert, dort ahnt man nichts vom tatsächlichen Geschehen.
Auf Seite 250 des ersten Bandes ist der Kulturtransfer zwischen Terra und Cendraka längst noch nicht beendet. Vera findet sich in Intrigen zwischen den drei Stadtbeherrschern und dem sog. Inneren Haus verwickelt. Mehr oder weniger freiwillig begibt sie sich auf eine sehr spezielle Erkundung.
Nach der vergangenen Ruhepause erschien mir das Treiben auf dem Pentagramm-Platz unglaublich hektisch. Von Lampenfieber fast betäubt, suchte ich nach dem richtigen Zugang zum „Inneren Haus“. Fand ihn geraume Zeit später am Ende eines Tunnels, nur weil die Kontaktperson gerade herauskam. Langte nach dem Arztkittel. „Ich bin´s. Die Sklavin des Zweiten.“
„Ach. Also doch. Na gut, komm mit.“ Sonderlich erfreut schien mir der Mediziner nicht. Ich folgte ihm in labyrinthische Tiefen. In konspirativen, weil offensichtlich unbenutzten Räumen begegneten wir seiner Kollegin. Die mich als erstes unter eine Dusche schickte.
„Weiß auch nicht, warum alle glauben, wir lassen euch völlig verkommen.“
Als mich die Dame anschließend begutachtete, fühlte ich mich schon bedeutend wohler. „Ja, ich denke, wir können es tatsächlich riskieren. Sag mal, erinnerst du dich nicht an mich… Rhy, nicht wahr?“
Ich musste passen. Sie legte ein codiertes Plastikband, es schnappte lautlos zu, um mein rechtes Handgelenk. Nackt folgte ich ihr noch tiefer in das Labyrinth.
„Der verhinderte Suizid von Abteilung 1F… bin eine von denen, die du aufgescheucht hast, um Schlimmeres zu verhindern.“
„Gibt wirklich keine Zufälle, Donna… Aber macht das meinen Einsatz nicht unmöglich? Was, wenn mich die anderen erkennen?“
„Keine Angst“, versicherte sie lachend. „Meine früheren Kollegen sind nach wie vor in der Abfallbeseitigung tätig. Nur ich habe mich zum Zuchtprogramm versetzten lassen.“
Zuchtprogramm?
Die Miene verfinsterte sich. „Habe das schon bereut. Das ist eine schmutzige Arbeit.“
Sie fuhr fort. „Heute bekommen wir eine neue Lieferung. Jede Menge Chaos, ein günstiger Tag für deinen Besuch. Leider aber wirst du einen Monat bleiben müssen, damit wir nicht auffliegen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn du also abbrechen willst, überlege es dir jetzt. Ich kann deine vorbereitete Legende noch löschen, risikolos.“
„Und Squsharamashmathis Wut riskieren?“, dachte ich. „Wieder in die Belanglosigkeit abzutauchen?“ Außerdem brannte ich darauf, die Tricks auszuprobieren, die Thomas Arthur Stuart mich gelehrt hatte. „Ich zieh´ die Sache durch.“
„Bravo“, sagte die Ärztin. „Es gibt hier einige Mitarbeiter, die den Kopf noch nicht vor lauter Forscherdrang verloren haben. Aber unser Wort hat im Inneren momentan kein Gewicht. Sonst hätten wir dem Programm längst den Zahn gezogen.“
Sie blieb stehen, eine Cendraka vom geläufigsten Typ. Worauf hatte ich mich eingelassen? Ich folgte der Amtsperson durch weitere halbdunkle, teilweise bizarr dekorierte Gänge. Bis wir an einer transparenten Plastikwand zu stehen kamen, hinter der sich ein kahler, höhlenähnlicher Raum erstreckte.
„Von der anderen Seite ist das ein Spiegel“, sagte die Ärztin. „In wenigen Minuten trifft die neue Lieferung ein. Vielleicht kannst du einen von ihnen akzeptieren. Mehr kann ich leider nicht für dich tun, heute habe ich nur ein Belegrecht, für meine übrigen Patienten steht noch kein Partnerwechsel an. Gleich nach Immunisierung und Sprachen-Input kriege ich die Neuen zur Erstuntersuchung. Kann dir dann leicht einen davon zuweisen als A-Priorität…“
„Bitte was, Donna?“
Sie seufzte. „Als aussichtsreichster genetischer Partner. Du musst wissen, für dich wurde eine Datei angelegt. Offiziell warst du in den letzten zwei Monaten meine Patientin. Kommst gerade aus dem Alkoven. Natürlich nicht nach einer planmäßigen Fötus-Sicherstellung – woher ein Kind nehmen und nicht stehlen. Aber manchmal geht eben auch etwas schief. Habe in deine Akte eingetragen, dass du eine Fehlgeburt erlitten hast, spontaner Abgang. Sehr selten unter Labor-Bedingungen, aber ich bin hier die Kapazität. Und so wird dich niemand untersuchen.“
Ich erschauerte. Was für ein Risiko…
„Donna“, sagte ich. „Soweit ich weiß, habe ich nicht einmal eine Gebärmutter.“
„Richtig“, entgegnete sie. „Und weil das so ist, ist der Aufstand, den meine verehrten Kollegen und Kolleginnen hier veranstalten, eigentlich unnötig. Wir haben deine Eizellen. Wir haben mehrere tausend Spermaproben, bis zu drei von jedem Mann, der lebendig das Innere Haus betreten hat. Sie aber sind von eurer genetischen Vielfalt berauscht. Ist hier das Schlagwort: genetische Vielfalt. Schaffung der idealen Sklavenrasse. Sie forschen und forschen und finden kein Ende.
Wenig später setzten wir den Weg fort. Wir kamen jetzt schnell in belebtere Sektionen, begegneten Angestellten in ähnlicher Tracht. Noch einmal passierten wir einen einsamen Gang; rechter Hand nur offenen Türen, die in Säle voller Alkoven führten, Reihe um Reihe, tanzende Kontrollanzeigen im Halbdunkel. Ich nahm rasch meinen Mut zusammen und bat noch um einige Regieanweisungen.
„Donna“, sagte ich. „Wie muss ich mich verhalten? Nach einer Fehlgeburt… traurig oder erleichtert oder was?“
Sie blieb stehen und sah mich bedauernd an. „Verwirrt, Nr. 126 XP“, war die Antwort. „Sei einfach nur verwirrt. Das sind sie alle. Wir sagen ihnen nicht, dass sie Kinder haben. Warum sie nicht mehr schwanger sind, wenn sie aus den Alkoven kommen. Manche Frauen begreifen nie, was ihnen hier passiert.“ Sie wandte sich wieder um und schnaubte verächtlich. „Die Männer sind nicht besser als Tiere… weil wir sie dazu machen.“ Nette Aussichten. Also konnte sich Cendraka immer noch steigern.
Wir gingen weiter. Nach einer entscheidenden Biegung des Ganges loggte sich meine Begleiterin an einer Tür ein, die weitaus besser gesichert war als das Hauptportal. Dahinter sah ich mich zu meinem größten Widerwillen mit einer Dame in Schwarz konfrontiert, komplett mit weißer Gerte. Nur gut, dass mich die letzten Jahre gelehrt hatten, aufsässige Blick zu verschleiern, den Nacken zu beugen. Meine Ärztin wechselte mit der Aufseherin rasche Sätze in Fach-Blahbylonisch, von denen ich nur meine Codenummer verstand. Tatsächlich war das laufende genetische Material des Zuchtprogramms schlicht durchnummeriert worden, mit den Zusätzen XP für weiblich und RT für männlich. So wurde im Laufe dieses Tages aus meinem auserkorenen Partner Nr. 213 RT.
Meine Begleiterin verschwand, wie es ihrer Rolle entsprach, ohne mich noch einmal des Blicks zu würdigen. Die Wächter-Tussi zog aus einem Automaten eine versiegelte Trinkflasche, drückte sie mir wortlos in die Hand. Ca. 1 l Wasser, schätzte ich verstohlen. Dann winkte sie mich zur nächsten Tür und öffnete Fort Knox. Mit einem ermunternden Schubs ihrerseits flog ich über die Schwelle in den Saal, hörte hinter mir Verschlüsse zischen. Nun, zumindest hatte sie nicht den Stock benutzt.
Niemand reagierte auf mein Eintreten. Doch das kannte ich ja schon, typisches Opferverhalten, und so weiter. Der Geruch… war allerdings kaum nach täglicher Dusche. Nur gut, dass ich schon wusste, wie schnell man sich daran gewöhnte. Laut Toms Erzählungen waren wir nachgeborenen Cro-Magnon schließlich für Sklavenställe prädestiniert. Apathisch schlurfend, wie es zur Tarnung wohl anstand, erkundete ich die weiträumige Location.
Soweit der Vortrag, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit! Gibt es Fragen?