
Tad Williams: Die Kinder des Seefahrers 1 & 2
DIE KINDER DES SEEFAHRERS 1
The Navigator’s Children, 2024. Ostenard+1
Klett-Cotta, Stuttgart, Oktober 2025, 688 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-608-96611-4. 
DIE KINDER DES SEEFAHRERS 2
The Navigator’s Children, 2024. Ostenard+1
Klett-Cotta, Stuttgart, Oktober 2025, 656 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-608-96603-9. 
Tad Williams, geboren 1957 in San José, Kalifornien, zählt zu den prägenden Stimmen der modernen epischen Fantasy. Nach frühen Jobs als Musiker, Radiomoderator und Illustrator begann er in den 1980er-Jahren zu schreiben – und landete mit seiner Tetralogie „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ (Memory, Sorrow and Thorn) einen Welterfolg, der bis heute als Klassiker des Genres gilt.
Es folgten weitere große Zyklen: die Otherland-Saga, ein visionäres Cyber-Epos über virtuelle Welten; Shadowmarch (Das Geheimnis der Schattenlande), eine düstere Grenzland-Fantasy; sowie die märchenhaft-ironische Serie Der Blumenkrieg (The War of the Flowers). Mit der Trilogie Der letzte König von Osten Ard (The Last King of Osten Ard) kehrte Williams in seine bekannteste Welt zurück und knüpft darin an die Ereignisse aus Das Geheimnis der Großen Schwerter an.
Sein Werk ist geprägt von ausgreifendem Weltenbau, psychologischer Tiefe und einer bemerkenswerten sprachlichen Spannweite. Tad Williams lebt mit seiner Frau Deborah Beale – selbst Autorin und Verlegerin – in Kalifornien. In einer Phase hat er mit ihr zusammen Kinderbücher verfasst – ich persönlich mochte diese nicht. Aber was heißt das schon!
Ich lese Tad Williams, seit Das Geheimnis der Großen Schwerter erschien – und das heißt: seit Jahrzehnten. Für mich ist er einer der großen Geschichtenerzähler der modernen Fantasy, ein Autor, der Welten nicht einfach beschreibt, sondern bewohnt. Natürlich habe ich auch die neue Osten-Ard-Saga mit Begeisterung verfolgt, beginnend mit Die Hexenholzkrone. Aber: Es sind viele, sehr viele Seiten. Ob die breite Leserschaft diesen gewaltigen Spannungsbogen bis zum Ende mitträgt, bleibt abzuwarten.
Gerade in den letzten beiden Bänden gab es Passagen, die etwas an Straffung hätten vertragen können – und doch spürt man in jeder Zeile die Liebe des Autors zu seiner Welt und ihren Figuren. Ganz offensichtlich will Tad Williams seine Lieblingsgeschichte weiter erzählen, vielleicht in künftigen Fortsetzungen.
Als Autorin kenne ich diesen Impuls gut: Manche Geschichten lassen einen nicht los, sie wollen einfach weiterleben. Ich hoffe für ihn – und für uns Leserinnen und Leser –, dass er die Kraft und die Inspiration behält, uns noch lange nach Osten-Ard zurückzuführen. Die Literatur ist schließlich eine zickige Muse, aber wenn sie Williams küsst, dann meist mit ganzem Herzen.
Was mich in der aktuellen Osten-Ard-Reihe besonders beeindruckt hat, ist die Tiefe, mit der Tad Williams seine Figuren zeichnet. Man spürt, dass er mit ihnen gewachsen ist – über Jahrzehnte hinweg. Die bekannten Persönlichkeiten aus der ersten Saga erscheinen gereift, von Zeit, Verlust und Erfahrung gezeichnet, und die neuen Charaktere fügen sich mit erstaunlicher Präzision in dieses Geflecht ein. Williams versteht es meisterhaft, Innenwelten mit epischer Handlung zu verweben, ohne jemals den emotionalen Kern aus den Augen zu verlieren. Diese Reife, dieses feine Gespür für Zwischentöne und Menschlichkeit, verleihen seiner Erzählung eine Intensität, wie ich sie in dieser Form selbst bei ihm noch nicht erlebt habe.
