Eine Weltherrschaft für tausend Tage – First we take Manhattan, then we take Berlin – 1. Teil

Eine Weltherrschaft für tausend Tage –

First we take Manhattan, then we take Berlin 

Noch waren Gewitter und Stürme, verursacht von der Vereinigung aller Segmente des Sklavenschiffes Xargath-Vorr in der oberen Atmosphäre über Amerika, nicht abgeklungen, als sich die Führer der zurückgebliebenen Agrustier zu einer ersten telepathischen Konferenz verbanden.

Ein kollektiver Raum ohne Worte entspann sich zwischen sechs Segmenten auf verschiedenen Kontinenten. Diese Schiffsart wurde für gewöhnlich als „Ordner“ bezeichnet. Ihr Name lautete Zokar-Ul. Reine Information formte sich in den Köpfen der Anwesenden. Die telepathische Versammlung begann.

Nirash Velkor, vom Rat eingesetzt als oberste Richter über New York, machte den Auftakt. Seine mentalen Impulse strahlten kalte Entschlossenheit aus: „Die Erde gibt nach, wie erwartet. Die Menschen sind unfähig zur Gegenwehr. Die Zivilisation bricht zusammen, während unsere Maschinen das Land neu formen.“

Vorgar Athel, von Berlin aus, gab sich weniger überzeugt. Seine Gedanken trugen die Schärfe eines Befehlshabers, der an allen Fronten zu kämpfen hatte: „Die Mega-Städte sind gewaltiger, als wir erwartet haben. Die Demontage braucht Zeit. Unsere Personaldecke ist ein Problem. Jedes Segment hat nur sechs von uns an Bord. Sechs! Die Maschinen erledigen die Arbeit, aber die Kontrolle und Anpassung obliegt uns. Das ist Wahnsinn.“

Kaelis Zarn, Genetikerin in Shanghai, sandte ein gedämpftes Lächeln in die Verbindung. „Wir wussten um die Aufgabe. Der Große Rat hat den Plan mit Präzision entworfen. Ressourcen dürfen nicht vergeudet werden. Das Gleichgewicht ist wiederher zu stellen. Egal, wie viele Städte wir demontieren müssen – am Ende soll nichts als fruchtbares Land bleiben.“

Sereva Kall, von Buenos Aires aus, war anderer Meinung. Ihr Verstand vibrierte mit unterdrückter Frustration. „Ihr seht nur Planeten als Rohmaterial. Ich sehe die Menschen. Sie ducken sich, ja, aber sie vergessen nicht. Ihre Gedanken sind nicht gebrochen, sie schwelen. Ich brauche mehr Zeit, um sie mental zu formen. Der Widerstand kommt nicht mit Waffen – er wächst in ihren Köpfen.“

Drevak Nor, in Kapstadt stationierter industrieller Planer, ließ ein emotionsloses Echo erklingen: „Die Infrastruktur der Menschen ist Perversion. Ihre Industrien werden nicht überdauern. Die Spezies soll sich niemals in das Universum erheben. Was wir zerstören, ist unwiederbringbar. Die Erde ist unser.

Thyra Vox, kybernetische Strategin von Neu-Delhi, brachte das Gespräch auf eine neue Ebene: „Die Maschinen arbeiten effizient, aber unsere Reichweite ist begrenzt. Selbst mit unserer Überwachung können sich einzelne Gruppen verbergen. Es gibt Blinde Flecken. Das ist nicht ideal.“

Nirash Velkor schüttelte mental den Kopf. „Es gibt keine perfekten Eroberungen. Aber wir sind die Agrustier. Der Große Rat kann sich nicht irren. Unsere Macht ist absolut. Jede Verzögerung ist nur eine Frage der Zeit, nicht der Möglichkeit.“

Kaelis Zarn ließ ein stilles Lächeln durch den mentalen Raum gleiten. „Der Große Rat irrt nie. Und wir auch nicht. Die Erde wird fallen, wie jede Welt vor ihr.“

Ein Moment der Stille breitete sich in der telepathischen Sphäre aus, während jeder seine Direktiven durchging. Atemberaubend, die schiere Größe dieser Städte. Doch auf Agrustier-Technologie war Verlass. Mochte die Transformation der sogenannten Erde in eine weitläufige, landwirtschaftliche Welt auch dauern, so war sie dennoch alternativlos. Der Große Rat hatte entschieden. Ein Agrustier zweifelte nicht an seinen Befehlen.

Sereva Kall allerdings hielt einen winzigen Gedanken zurück, verborgen hinter Schichten von psychologischer Perfektion: „Aber was, wenn der Rat doch irrt?“

Die Konferenz endete, und jeder machte sich an die Arbeit. Maschinen liefen an. Steine polterten übereinander, Asphalt wurde hinfort gefräst, chemisch in wieder verwendbare Substanzen recycelt. Und die Zeit verrann.

*

Sechs Wochen Erdzeit später wurde erneut die Gedankenverbindung aktiv. Doch diesmal schien das mentale Feld aufgeladen von Emotionen: Frustration, Ehrgeiz, durchzogen von kaltem Kalkül. Die Agrustier-Kommandanten, verstreut über die sechs Zentren ihrer Herrschaft, versammelten sich in der reinen Sphäre der telepathischen Kommunikation.

Nirash Velkor, von seinem Sitz in New York aus, ließ seine Gedanken wie eine unerschütterliche Mauer auf die anderen einwirken. „Die Erde zerfällt wie geplant. Die Menschen sind gelähmt, ihre Strukturen brechen in sich zusammen. In weniger als fünfzig Zyklen wird Manhattan nicht mehr existieren.“

Vorgar Athel, der in Berlin die militärischen Abläufe koordinierte, ließ eine Schwingung aus kühler Skepsis folgen. „Ja, Velkor, Manhattan fällt. Aber dann? Der Abbau der Megastädte nimmt kein Ende. Jede ist größer als erwartet, jedes System vernetzter als unsere Berechnungen annahmen. Und wir? Wir sind sechs pro Segment. Sechs gegen Milliarden.“

Ein Echo aus Missfallen durchzog den Raum.

Drevak Nor, der über die Demontage der industriellen Strukturen von Kapstadt wachte, ließ seinen Geist wie Stahl vibrieren. „Die Maschinen erledigen den Großteil der Arbeit. Wir kontrollieren. Das ist der Plan. Die Erde soll nicht mehr als Schandfleck des Chaos existieren, sondern als geordnete Welt, eine Welt des Gleichgewichts. Die Personaldecke ist kein Problem. Die Maschinen brauchen keine Pausen.“

In Shanghai ließ die anmutige Kaelis Zarn eine fast amüsierte Schwingung folgen. „Wir könnten diese Diskussion fortsetzen, aber am Ende führt sie ins Leere. Wir alle wissen, dass es keine Alternative gibt. Der Große Rat kann nicht irren. Die Umwandlung muss geschehen, koste es, was es wolle.“

Sereva Kall, deren Einfluss sich in Buenos Aires über den psychologischen Zustand der Menschen erstreckte, warf eine andere Perspektive in die Verbindung. „Ich sage euch: Die Städte sterben nicht in den Straßen. Sie sterben in den Köpfen. Doch das dauert. Die Menschen verfallen nicht so schnell in Hoffnungslosigkeit, wie ihr glaubt. Es gibt Kernpunkte der Identität, immer noch etwas mehr, das sie festhält.“

Die groß gewachsene Thyra Vox, deren kybernetisches Netz über Neu-Delhi gespannt war, verstärkte diesen Gedanken. „Ja. Unsere Kontrolle reicht weit, aber nicht unbegrenzt. Ich kann jede Bewegung in den Städten verfolgen, aber es gibt Lücken, kleine Schattenzonen. Ich sehe, dass sich Strukturen verschieben, dass sich Zellen bilden. Ihr alle solltet wissen: Unsere Technologie ist fortschrittlich, aber selbst wir sind nicht allwissend.“

Eine unangenehme Stille breitete sich aus. Die Gewissheit ihrer Macht stand gegen die Realität der Ungewissheit.

Vorgar Athel brach das Schweigen. Aber wir haben unbegrenzt Zeit. Der Große Rat der Weite erwartet von uns nicht weniger als Perfektion. Berlin wird fallen, Manhattan wird verschwinden, und dann werden wir ernten. Die Erde wird ein blühendes Agrarreich sein, ein weiteres Glied im ewigen Zyklus des Imperiums von Xerash’Kahn.“

Das kollektive Bewusstsein füllte sich mit dem fernen Bild der Heimatwelt, Xerash’Kahn, im Herz des agrustischen Imperiums. Eine planetenumspannende Metropolis, von gewaltigen Türmen durchzogen, in deren Schatten sich Abermilliarden von Agrustiern drängten. Gläserne Kuppeln schimmerten unter der violetten Sonne, Straßen schwebten übereinander in endlosen Ebenen der Bewegung. Hier gab es keinen Acker, keine Natur, keine Unordnung – nur endlose Stadtlandschaften, durchzogen von künstlichen Lichtern und der ständigen Aktivität einer Spezies, die niemals ruhte.

Die Agrustier lebten in einem Überfluss, den nur totale Kontrolle über unzählige Welten ermöglichte. Ihre Nahrung kam nicht von Xerash’Kahn selbst – sie wurde von Agrarplaneten wie der Erde produziert, von Sklaven geerntet und in riesigen Frachtern in den pulsierenden Mittelpunkt ihres Reiches transportiert.

Drevak Nor sandte eine Welle der Zustimmung. „Ja. Das ist unser Ziel. Nicht Zerstörung, sondern Erneuerung. Aus einer Karrikatur von Xerash’Kahn verwandeln wir die Erde in eine Ernährerin, eine von vielen, demütig wie unzählige Planeten vor ihr.“

Nirash Velkor ließ eine finale, unerschütterliche Botschaft in die Gedanken aller einsickern. „Dann machen wir weiter. Ohne Verzögerung. Der Wille des Großen Rates wird vollzogen.“

Die Verbindung brach ab. Jeder kehrte gedanklich in seine Station zurück.

Und die Maschinen arbeiteten weiter.

*

Ein halbes Jahr war vergangen. Winter herrschte über Europa und Amerika. Der Schnee bedeckte die Ruinen, legte sich über geborstene Straßen und zerfallene Türme, über die Reste von Brücken, die einst Millionen Menschen miteinander verbunden hatten. Wo einst das Leben pulsierte, stand nun eine trostlose Landschaft aus gefrorenem Beton und Stahl. Die Maschinen der Agrustier ratterten weiter, ihre Energielinien brannten sich durch den Frost, aber der Fortschritt war quälend langsam. Berlin und New York waren verwüstet – doch nicht, wie die Eroberer es sich erhofft hatten, dem Erdboden gleich gemacht. Statt sich in fruchtbare Ebenen zu verwandeln, glichen die Städte gefrorenen Friedhöfen aus Stahl und Stein.

Nirash Velkor fühlte Zorn in seinen Gedanken, als er die Verbindung zu den anderen herstellte. „Die Menschen mögen besiegt sein, aber ihre Städte sind wie Kreaturen, die um ihr Leben ringen. Die Produktionsstätten waren so zahlreich, ihre Strukturen so vernetzt, dass wir uns an nie endenden Steinmassen und irdischer Technologie abarbeiten. Wären wir in den Weiten der Great Plains, könnten wir endlich etwas bewirken.“

Vorgar Athel ließ eine Welle aus ungeduldigem Frust durch die Verbindung gleiten. Hätte man mir doch nur das sogenannte Mecklenburg-Vorpommern gegeben! Einfach ideal, weite Flächen, kaum Menschen. Doch stattdessen verschleißen wir uns an Städten, die ohne Mühen gefallen wären. Wir hätten sie nur im großen Stil entvölkern müssen! Ein Schiff, für jede von ihnen!“

Kaelis Zarn, die trotz allem weiter an ihren genetischen Anpassungen in Shanghai arbeitete, ließ eine spöttische Note in ihre Gedanken einfließen. „Ah, jetzt kommt es heraus. Ihr seid keine Planer. Ihr seid Eroberer, die sich nach offenen Ebenen sehnen, Gefangene ihrer romantischen Vorstellungen. Diese Welt ist nun einmal kein jungfräulicher Acker. Sie ist eine Trümmerlandschaft, die wir bezwingen müssen. Wollt ihr wirklich an einer so simplen Aufgabe scheitern, unwichtig werden?“

Doch es war nicht nur die Erde selbst, die ihr Vorankommen hemmte.

Nirash Velkor schickte eine dunkle Welle des Grolls durch die Verbindung. „Die wahren Schuldigen sitzen nicht hier. Es war Tacit Ciella, unser Oberster Seher, und Hochrichterin Zivara Quel, die damals, vor fünfzig Planetenzyklen, die erste Ernte geplant haben. Sie hätten es wissen müssen. Für den Rat genauere Daten sammeln müssen!“

Vorgar Athel stimmte ihm zu. „Ja. Sie haben uns ins Messer laufen lassen. Ihre Berichte sprachen von einem sterbenden Planeten, einem wehrlosen Volk. Stattdessen kämpfen wir gegen die Geister einer Welt, die sich nicht unterwerfen will. In Städten, in deren Tiefe es nach wie vor wimmelt. Und der Winter verlangsamt unsere Maschinen. Dieser Planet gleicht einem Labyrinth.“

Drevak Nor, der Meister der Ressourcengewinnung, ließ einen harten Impuls durch die Verbindung gleiten. „Und dennoch werden wir es schaffen. Die Erde kann sich nicht wehren. Sie ist nichts als eine riesige Mine aus Stahl und Beton, und wir werden sie abbauen. Der Winter vergeht, die Steine werden fallen und die Sklaven werden vor uns knien.

Ein Moment der Stille legte sich über die Verbindung. Alle wussten, dass Drevak Nor recht hatte. Doch es änderte nichts an der Frustration, die an ihnen nagte.

Thyra Vox, die über die Technologie wachte, ließ ihre Gedanken so präzise wie eine Klinge erklingen. „Wir können über Vergangenes klagen oder wir können unsere Arbeit tun. Tacit Ciella und Zivara Quel sitzen sicher auf Xerash’Kahn und erwarten Ergebnisse. Sie werden uns nicht helfen. Niemand kommt zur Verstärkung. Es liegt an uns, die Welt zu brechen und zu formen.“

Sereva Kall, die Meisterin der psychologischen Kontrolle, schloss die Verbindung mit einem letzten Gedanken: „Und während ihr Städte niederreißt, sehe ich in den Köpfen der Menschen etwas, das ihr nicht wahrnehmt. Sie haben nicht vergessen. Sie warten. Und wir haben noch nicht gesehen, wozu sie fähig sind.“

Bevor die Verbindung endgültig brach, ließ Nirash Velkor einen letzten, fast sehnsüchtigen Gedanken durch den telepathischen Raum gleiten. „Wie viel einfacher wäre es, wenn der Frühling käme. Ich sehe es vor mir – weite, fruchtbare schwarze Erde, aufgerissen von den Pflügen, von fleißigen, folgsamen Kreaturen bewirtschaftet. Sie wimmelten über die Felder, ein harmonisches Schauspiel aus Ordnung und Wachstum. Doch stattdessen … stattdessen kämpfen wir in Schutt und Eis.“

Die Vision hielt einen Moment lang an, durchzogen von einer fast tragischen Schönheit, dann verlosch sie.

Die Verbindung brach ab. Der Schnee fiel weiter. Die Maschinen arbeiteten weiter. Und eine Welt verharrte im Widerstand.

*

Juni war gekommen, und mit ihm die ersten Zeichen von Leben. Im umgestalteten Central Park keimte die Saat, eine spärliche Hoffnung auf das, was kommen könnte. Doch es war nichts als ein Schatten dessen, was sich Nirash Velkor einst erträumt hatte.

Er ließ seinen Blick über die rudimentären Felder gleiten, während er telepathisch Kontakt zu Thyra Vox aufnahm. Sie war eine der wenigen, mit denen er eine Vergangenheit teilte – eine, die sich bis zu den frühen Tagen ihrer Ausbildung auf Xerash’Kahn zurückverfolgen ließ. Es war eine Zeit gewesen, in der Ehrgeiz alles war, und in der sie beide noch geglaubt hatten, dass ihre Taten Geschichte schreiben würden.

Ich habe sie geschult, so gut es geht,“ ließ Velkor durch die Verbindung gleiten. „Die ersten Sklaven sind in den Kellern der Hochhäuser untergebracht. Gut geschützt, auch in den Parkhäusern. Doch sie hassen alles, was ich für sie tue. Statt ihre traditionellen Rationen zu genießen, jagen sie Ratten oder werfen Katzen auf den Grill. Ich habe es gesehen, Thyra. Katzen! Und das, obwohl dies ihre eigenen heiligen Tiere sein sollen.“

Ein Anflug von Ekel durchzog die Verbindung. Fleisch war für die Agrustier eine archaische Erinnerung, eine Nahrungsweise, die sie vor Äonen hinter sich gelassen hatten.

Thyra Vox ließ ein belustigtes Echo folgen. „Wie primitiv. In Neu Dehli haben wir diese Probleme nicht. Die meisten Hindus haben Fleisch ohnehin nie angerührt. Sie sind ein edleres Volk. Sie wissen, was sich gehört. Ihre Körper sind rein, ihre Kultur faszinierend.“

Velkor spürte ihre Begeisterung. „Kultur? Musik? Tanz? Du beginnst, dich für ihre Bräuche zu interessieren?“

Ein sanftes mentales Lächeln lag in Thyras Antwort. „Vielleicht. Wer weiß? Jedenfalls sind sie zivilisierter, als wir dachten.“

Velkor schwieg einen Moment. Dann schüttelte er mental den Kopf. „Du hast es leichter als ich.“

Das Gespräch verblasste, und der Juni brachte weiterhin zartes Grün über den Central Park – doch es war noch keine Ernte, sondern nur ein ferner Traum.