Game of Thrones – einige schreibfaule Reminiszenzen im September 2015

Angelika S. Herzog - Collage aus privaten Fotos

Angelika S. Herzog – Collage aus privaten Fotos

Game of Thrones

Es ist sicher nicht nötig, sich zu wiederholen. Immerhin habe ich Euch bereits im letzten Jahr von G.R.R.M. erzählt und das Stammleser-Trostpflaster „Der Heckenritter von Westeros“ besprochen. Dieser Tage – nachdem ich die BWA-Deadline eingehalten UND Uwe Lammers 20(!)seitigen Brief beantwortet habe, werde ich den Text auf die Website bringen. Im Zweifelsfall könnt Ihr dort dann alles nachlesen.

Ja, ich bin ein Fan. Als solcher finde ich auch die Verfilmung gelungen. Insbesondere der Darsteller von Tyrion Lannister: große Klasse. Die nächste Staffel werde ich mir – Sendezeiten hin und nervige Werbepausen her – wohl auch antun, weil darin die Geschichte endlich weitererzählt wird.

Ich glaube nicht, dass Ihr jemanden benötigt, der Euch mit Rezis der ersten 10 bereits erschienenen Bände des „Lieds von Eis und Feuer“ beliefert. Selbstverständlich wurden sie von mir bereits mehrfach durchgelesen. Das schafft Ihr auch… zumal die Bücher mit 15 € vergleichsweise günstig zu haben sind. Spannende Lektüre!

Nicht desto trotz erfreue ich Euch gleich mit Worten aus dem Jahre 1998… Kinder, wie die Zeit vergeht. Ich habe den Text beim Stöbern auf meiner Festplatte gefunden und danke an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich Wilko Müller jr. ! Damals ging ich nämlich noch äußerst nachlässig mit meinem Geschreibsel um – ohne seine Solar-X-CD hätte sich nichts davon erhalten.IMG_9787

Angelikas Bücherecke 1998

… wird leider auch noch in den nächsten Monaten unter erschwerten Bedingungen erscheinen. Eingeweihte (FANler) wissen es: isch ábbe momentan keinen Zugang zu einem privaten und gemütlichen PC-Arbeitsplatz, muß mich während seiner zivildienstlichen Abwesenheit in den ungeheizten und chaotischen Dungeon meines Sohnes schleichen. Und in dieser Jahreszeit ist mein Lesesofa gemütlicher denn je – ich fürchte, für 1998 wird dies mein letzter Beitrag.
Schließlich muß ich noch meinen FAN-Beitrag schreiben – zumal ich 1999 die Ohaschaft erbe. Nähere Informationen zu FAN unter meiner Privatadresse – auch Wilko kann Auskunft erteilen. (Probeexemplare möglich gegen langen Leserbrief). E-Mehl: familie.herzog@t-online.de.
Trotzalledem wird es Zeit, endlich die ersten Highlights zu besprechen, nachdem die letzte Bücherecke den Nieten gewidmet war. (Ich habe das Lob registriert – danke!)
Mein erster Vorschlag richtet sich an alle, die von Williams „Drachenbeinthron“ begeistert waren. Ich habe nicht geglaubt, daß so bald wieder etwas in ähnlicher Qualität auf den Markt kommt – doch, siehe da! – nicht nur hat Williams mit seiner neuen Cyberspace-Saga noch „einen draufgelegt“, sondern es hat sich ein Epigone eingefunden, der vollkommen neben dem Drachenbeinthron bestehen kann.

George R.R. Martin
DAS LIED VON EIS UND FEUER
Die Herren von Winterfell
Das Erbe von Winterfell
Goldmann ( 2 x 22,- DM für ca. 1.000 Seiten – Preishit?)

Bd. 24729 u. 24730


Laut Vorblatt hat George R.R. Martin lange Zeit als Dramaturg der Serie „Twilight Zone“ mitgearbeitet. Obwohl ich zum erstenmal von diesem Autor hörte, hat er sich wohl seine Lorbeeren in den Staaten bereits verdient – und in Jörg Ingwersen einen kompetenten Übersetzer gefunden. Das Original ist – als erster Band einer längeren Saga – bei Bantam Books, New York, erschienen.
Vorab möchte ich bemerken, daß der Originaltitel beider Bände: „A Game of Thrones“ sehr viel zutreffender ist. „Winterfell“ ist eigentlich nur eine Burg in dieser Geschichte. Doch sei Goldmann verziehen, wenn sie die Veröffentlichung nur nicht so weit in die Länge ziehen. Leider fürchte ich, daß wir alle uns in Geduld fassen müssen – bis 04/99 erscheint erst einmal kein weiterer Band. Ein Jammer.
Wie schon im Drachenbeinthron, setzt sich der Zeitrahmen aus frühmittelalterlichen Elementen zusammen, durchwoben von Legenden aus sagenhaften Zeiten. Der Ort allerdings ist weit fremdartiger als unsere Erde jemals war – offensichtlich ein Planet mit recht exzentrischer Umlaufbahn, nicht völlig von Menschen besiedelt. Im Süden gibt es die Schattenländer. Der Norden trägt die Mauer der Welt, unvorstellbar gigantisch, seit 8000 Jahren von den zölibatär lebenden Kriegern der Schwarzen Bruderschaft bewacht, der „Nachtwache“.
Die Jahreszeiten sind alles andere als ausgeglichen. Gerade eben neigt sich ein zehnjähriger Sommer seinem Ende zu. Fast eine Generation ist währenddessen herangewachsen – da nimmt es nicht wunder, wenn manche Leute, ob im Süden oder Norden, gar nicht mehr an den Winter glauben möchten, so wenig wie an Drachen, Untote und desgleichen. Die Kastelle im Norden zerfallen, statt aus edelsten Geschlechtern rekrutieren sich die Schwarzen Brüder aus Bastarden, Gestrauchelten und Galgenvögeln.
Doch auf Winterfell, erbaut über und gespeist von heißen Quellen, wahrt das vormals königliche und wegen seiner Ehrpussligkeit nicht nur von dem südlich-modernem Geschlecht der Lannisters belächelte Haus Stark sein Motto: „Der Winter naht.“ Immerhin ist es die nördlichste Burg: hier bekommt mensch schon einmal die Dinge von „jenseits der Mauer“ zu sehen. Einer der Diener, leider schwachsinnig, hat Riesenblut in den Adern. Und Lord Eddard begegnet seinem Wappentier, dem Schattenwolf, ein Tier, welches seit zweihundert Jahren als ausgestorben galt – fast genauso lange wie der letzte Drache.
Beim Kadaver eines ponygroßen, halbverwesten Weibchens findet sich ein gesunder Wurf junger Schattenwölfe, nicht nur passend zu den drei Söhnen und zwei Töchtern des Lords, es ist auch ein Albino für Jon Snow, den Bastard, dabei. Offentsichtlich wurde das Muttertier von einem Hirsch erlegt.
Ein seltsames Omen, denn der Hirsch ist das Zeichen des Königs. Robert Barratheon, Eddards Freund aus Kindertagen, Waffengefährte aus kriegerischer Vergangenheit – in haßerfüllter Ehe verbunden mit Cersei Lannister. Und bald schon beruft der König Lord Stark als seine Rechte Hand an den Hof… und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Erheiternd und liebenswert, wie George seine Zitate einbaut: wenn das Banner der Manderleys einen Wassergeist zeigt, grüßt „Rebecca“ Daphne DuMaurier. Und jeder aufrechte Williams-Fan schmunzelt, wenn der Titel eines Kriegsherren des Bergstammes der Burned Men ausgerechnet „Rote Hand“ lautet.
Sowohl George R.R. Martin als auch sein Übersetzer schreiben einen glänzenden Stil, die Schilderungen sind atmosphärisch dicht, die Einfälle sprudeln, die Spannung ist ungeheuer. Besonders begeistert bin ich davon, daß George jegliche Gut/Böse-Klischees vermeidet: als Tyrion, der Gnom von Lannister, seine Berghorden in die Schlacht führte, wünschte ich ihm doch glatt den Sieg – dabei ging es gegen die edlen Starks… Und Lady Catelyn, eigentlich Heldin und Sympathieträgerin, verhält sich kleinlich und grausam gegenüber Jon, den Bastard. Und Varys, der aalglatte Eunuch ist überhaupt nicht einzuordnen.
Wie schon bei Williams beleuchtet jedes Kapitel einen Teilaspekt der Geschichte, verschiedene Charaktere, jeder facettenreich und vollständig erdacht, erzählen sie aus ihrer Sicht weiter. Oft sind dies die Starks und ihre Kinder. Dazu zählt man zunächst auch Jon, obwohl immer klarer wird, daß seine Geburt Teil eines ernst zu nehmenden Geheimnisses ist. Überhaupt könnte hier „Deine Kinder sind nicht deine Kinder“ Motto so mancher Familie sein… Das Wälsungenblut läßt grüßen.
Ganz klar: Jons rätselhafte Herkunft hängt mit dem Tod von Eddards Schwester zusammen. Da ich solche Rätsel liebe und bei der Lösung immer recht gut abschneide, wage ich zu behaupten: Jon, der Lord Snow der Nachtwache, wird sich letzten Endes als halber Targaryen entpuppen, aus der Drachenbrut des letzten Königs.
Eine vielbejagte Spezies, die Targaryen. Eigentlich nur noch bestehend aus dem letzten Geschwisterpaar: Viserys, der cholerische Schwächling, überlebt Band 1 nicht. Sein Wunsch, vom mongolischen Gemahl seiner Schwester, Khal Drogo, gekrönt zu werden, erfüllt sich auf schmerzvolle Weise. Zwar findet Daenerys, ein verschachertes, gequältes Kind, Geschmack an ihrer Ehe, dem freien, gewalttätigen Leben im Khalasar, doch sie verliert ihn, Drogos Kind und ihre Fruchtbarkeit durch Schwarze Magie… und geht buchstäblich durch das Feuer der Verzweiflung, leistet mehr, als nur den Drachen in sich selbst zu wecken, lüftet das Geheimnis ihrer Vorfahren.
Alle Erzählstränge dieser Saga können gleichberechtigt nebeneinander bestehen. George wagt es, drei davon unmündigen Kindern (Bran, Sansa und Arya Stark) anzuvertrauen; bleibt auch hier absolut stilsicher. Es kommt nicht einmal ein Hauch von Kitsch auf. Seite an Seite mit den Sichtweisen von Eddard, Catelyn, Daenerys, Tyrion, wecken sie die Geschichte zum Leben, alles wirkt authentisch.
Ich wage diese Saga selbst Horrorfans zu empfehlen, denn George ist ganz und gar nicht zimperlich: die Toten kommen über die Mauer und sie wollen Blut…
Und ich will die Fortsetzung. Bald.

Siegfried und Angelika Herzog (um die Jahrtausend-Wende) Collage aus privaten Fotos

Siegfried und Angelika Herzog (um die Jahrtausend-Wende)
Collage aus privaten Fotos

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